Früherkennung und Diagnose von Herz-Kreislauf-Erkrankungen:Ein Manifest für VeränderungSchwerpunkt: KardiomyopathieEs ist wichtig, Standards für genetische Tests bei Angehörigen ersten Grades von Menschen mitKardiomyopathie festzulegen und die Untersuchungsabläufe für Familien zu vereinheitlichen. 34Genetische Tests sollten nur dann eingesetzt werden, wenn solide Belege für ihren Gesamtnutzenund ihre Kosteneffizienz vorliegen. Dabei sollten Leitlinien den klinischen Nutzen genetischer Testsfür verschiedene Kardiomyopathie-Typen (z. B. dilatativ, hypertroph) berücksichtigen. 35 Zudem sindlangfristige Nachsorgepläne erforderlich, damit Personen, bei denen eine Veranlagung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen festgestellt wird, angemessen unterstützt werden und Gesundheitsfachkräfte überdie Versorgungsprotokolle informiert sind, die in solchen Fällen zum Einsatz kommen. Dies ist besondersbedeutsam, da eine unerkannte Kardiomyopathie zu weiteren Herzerkrankungen führen kann, etwazum plötzlichen Herztod. 36Schwerpunkt: Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-ErkrankungenHKE stellen die häufigste Ursache für Behinderungen und Todesfälle bei Menschen mit Typ-2-Diabetesdar. 37 Diese Personengruppe hat ein doppelt so hohes Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle wieMenschen ohne Typ-2-Diabetes. 38 Daher ist es wichtig, das kardiovaskuläre Risiko bei Personen mit Typ-2-Diabetes zu adressieren und die Früherkennung sowie Diagnose beider Erkrankungen zu verbessern –bspw. durch die Einführung kombinierter Diabetes- und Herzgesundheitschecks. Solche Untersuchungenkönnen eine kosteneffiziente Möglichkeit bieten, die frühzeitige Erkennung und Diagnose zu stärken, dieGesundheitsergebnisse zu verbessern und die Gesundheitskosten zu senken. 40 Im Vereinigten Königreich nutztder sogenannte NHS Health Check einfache Messmethoden, um Personen mit einem erhöhten Risiko für HKE,Schlaganfälle, Diabetes und Nierenerkrankungen zu identifizieren. 40 Untersuchungen haben gezeigt, dassderartige Checks die Inzidenz von Erkrankungen in mehreren Organsystemen verringern und das Risiko für dieGesamt- und kardiovaskuläre Mortalität um 23 % senken können. 40Box 1. Aspekte bei der Einführung einer umfassenden Risikobewertung für HKEBestehende Instrumente zur Risikobewertung von HKE weisen oft Einschränkungen auf und können zugunstenälterer Altersgruppen oder auf kurzfristige Behandlungsergebnisse ausgerichtet sein. 41 Die Einführungpräziser Bewertungen, die Intensität und Dauer der Exposition gegenüber Risikofaktoren berücksichtigen,ist entscheidend, um das Auftreten von HKE zu prognostizieren. Zudem ermöglichen solche Bewertungeneine engmaschigere Überwachung und frühere Erkennung kardialer Symptome, was den Krankheitsverlaufverlangsamen und bessere Ergebnisse für Betroffene und Gesellschaft erzielen kann.Wir empfehlen Entscheidungsträgern, umfassende Strategien zur Risikobewertung zu unterstützen, die• prognostische Risikobewertungs- und Stratifikationsinstrumente einsetzen, um Kosteneffektivität zugewährleisten und Ressourcen effizient zuzuteilen, beispielsweise durch 10-Jahres-Risikomodelle für21, 42ASCVD oder QRISK.• Personengruppen erfassen, die ein erhöhtes Risiko aufweisen, schwerwiegendere HKE zu entwickeln.Dazu gehören Menschen mit bereits diagnostizierter HKE, Personen, die bereits ein kardiales Ereigniserlebt haben, sowie Menschen mit familiärer Vorbelastung bekannter Herzerkrankungen (etwaASCVD, Herzinfarkt, Schlaganfall, Vorhofflimmern, Herzklappenerkrankungen, Kardiomyopathienund familiäre Hypercholesterinämie). Ebenfalls miteinbezogen werden sollten Erkrankungen, dienachweislich das Risiko für HKE erhöhen, wie Diabetes, Adipositas, chronische Nierenerkrankungenund Krebs.12
GLOBAL HEART HUBMaßnahme 3: Klinische Prozesse anpassen, um dieFrüherkennung und Diagnose von HKE zu verbessernWELCHE MASSNAHMEN KÖNNEN POLITISCHEENTSCHEIDUNGSTRÄGER ERGREIFEN?Entscheidungsträger sollten die Neugestaltungvon Versorgungspfaden über verschiedenemedizinische Fachrichtungen hinweg fördern,damit frühe Anzeichen und Symptome von HKEsystematisch erkannt und angemessen untersuchtwerden. Klare Protokolle sollten diese Maßnahmenergänzen, um Gesundheitsfachkräfte zur routinemäßigenUntersuchung kardialer Ursachen undzur Berücksichtigung kardiovaskulärer Ursachen(„Think Cardiovascular“) anzuhalten. 33, 34 Sowürden Personen mit HKE-Risikofaktoren oderAnzeichen – auch ohne herzbezogene Symptome– gezielt auf kardiale Ursachen untersucht und beiBedarf frühzeitig an Fachärzte überwiesen.Bei der Neugestaltung von Versorgungspfadensollten Entscheidungsträger die Schnellzugangsdiagnostikin verschiedenenVersorgungssettings ausweiten. Regierungensollten den Zugang zu zentralen Point-of-Care-Diagnoseverfahren wie EKG, Echokardiographie,Blutdruckmessungen, LDL-C-Tests und weiterenBiomarkern verbessern. Diese Diagnostik solltevermehrt in hausärztlichen Praxen, lokalenDiagnostikzentren, Apotheken und Gesundheitszentrenverfügbar sein. 15, 23, 43 BestehendeHürden in Überweisungspfaden müssen zudemabgebaut werden. Ein offener Zugang zurEchokardiographie könnte Hausärzten direkteÜberweisungen zur Bildgebung ermöglichen undso Verzögerungen durch Facharztüberweisungenvermeiden. 27Box 2: Was ist Point-of-Care-Testing (POCT)?POCT wird in unmittelbarer Nähe der Patienten durchgeführt, außerhalb eines traditionellen Labors,bspw. in hausärztlichen Praxen, Apotheken, Pflegeheimen oder sogar in Gemeinschaftseinrichtungen wieBüros oder Einzelhandelsgeschäften. Diese Testmethode beschleunigt den diagnostischen Prozess, etwadurch Speichel- oder Fingerstich-Bluttests, die schnelle Ergebnisse und eine zügige Triage ermöglichen.Dadurch kann die Zeit bis zur kritischen Behandlung verkürzt werden. Trotz dieser Vorteile wird POCT in derkardiovaskulären Diagnostik noch nicht ausreichend genutzt. 21WARUM IST DAS WICHTIG?DerStrikt voneinander getrennte Strukturen imGesundheitswesen können dazu führen, dass dasRisiko für HKE sowie entsprechende Symptomenicht angemessen erkannt und behandeltwerden. In vielen Gesundheitssystemen sindVersorgungspfade fragmentiert, da Fachärztevorrangig auf ihr Spezialgebiet fokussiert sind.Dieser isolierte Ansatz kann dazu führen, dasskardiovaskuläre Risiken übersehen werden,auch wenn Symptome oder Begleiterkrankungenvorliegen. So könnte ein Endokrinologe bei derBehandlung von Diabetes das Risiko für HKEaußer Acht lassen, oder Patienten mit Atemnot– einem Warnsignal für Herzinsuffizienz –erleben Verzögerungen, da zuerst nach34, 45Atemwegserkrankungen gesucht wird.Einsatz von POCT ermöglicht die frühzeitigeErkennung von HKE außerhalb spezialisierterEinrichtungen und vermeidet lange Wartezeiten,die zu lebensbedrohlichen Verzögerungenführen können. 34, 46 POCT ermöglicht eine frühzeitigeDiagnose außerhalb spezialisierterEinrichtungen und beschleunigt Untersuchungensowie Behandlungen. Vor der Integration inVersorgungspfade ist jedoch eine gründlicheValidierung der POCT-Geräte erforderlich.13
Laden...
Laden...