Im Puls.THINK TANK HERZ-KREISLAUF7 Geschlechterspezifische Unterschiede in Diagnostik und Therapiebei Herz-Kreislauf-Erkrankungen erkennen und berücksichtigenDie Berücksichtigung geschlechterspezifischer Unterschiede in der Diagnostik und Therapie vonHerz-Kreislauf-Erkrankungen ist entscheidend, um eine präzisere und effektivere medizinischeVersorgung zu gewährleisten und geschlechtsspezifische Morbiditäts- und Mortalitätsraten zuverringern.Empfehlung: Die geschlechterdifferenzierte Betreuung von Patientinnen und Patienten mit kardiovaskulärenErkrankungen ist schon auf der Ebene der hausärztlichen Versorgung notwendig ebensowie auch auf der Ebene der nachgelagerten fachärztlichen Betreuung. Hierzu bedarf es Zugang zuentsprechenden Daten, der Integration geschlechterspezifischer Kompetenz in das Aus- und Weiterbildungsangebot,wie auch eine konsequente Umsetzung bereits etablierter Leitlinien.Forschungsergebnisse der letzten Jahre zeigen deutliche Unterschiede zwischen Männern undFrauen bei Risikofaktoren, Symptomen und Wirksamkeit traditioneller Therapien von Herz-Kreislauf-Erkrankungenauf.Die KHK-Prävalenz ist bei Männern durchweg höher und steigt bereits ab dem 45. Lebensjahr exponentiellan (Gößwald et al, 2013). Bei Frauen steigt die Prävalenz durchschnittlich erst ab dem 55. Lebensjahran. Frauen sind beim Auftreten eines Infarktes ca. 10 Jahre älter, stellen sich häufiger mit unspezifischerSymptomatik vor, haben mehr Komorbiditäten und erhalten seltener eine leitlinienkonformeTherapie (Alabas et al, 2017). Entsprechend ist die Postinfarktmortalität höher (Alabas et al, 2017).Neben dem höheren Lebensalter fällt bei Frauen eine doppelt so hohe Prävalenz depressiver Erkrankungenauf, die wiederum ebenfalls mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert ist (Vaccarinoet al, 2017). Eine mögliche Ursache dafür könnten erhöhte familiäre und berufliche Anforderungenvor dem Hintergrund genderspezifischer Rollenprägung sein. Studien deuten zudem auf eine höhereStressvulnerabilität und Stressexposition bei Frauen hin, die mit atypischen kardiovaskulären Pathologienassoziiert sind (Vaccarino et al, 2013). Weitere geschlechterspezifische Aspekte finden sich beider Herzinsuffizienz, die sich bei Frauen häufiger mit Müdigkeit und Erschöpfung manifestiert (Regitz-Zagrosek, 2010). Arrhythmien werden bei Frauen häufiger als Panikattacken oder anderweitigespsychogenes Symptom fehlinterpretiert und damit ebenfalls verzögert behandelt (Carnlöf et al, 2017).18
Technologische Innovationenund Betriebliches Gesundheitsmanagementnutzen8 Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) stärken undpsychosozialen Stress am Arbeitsplatz reduzierenChronischer psychosozialer Stress am Arbeitsplatz, im alltäglichen Leben und im Umgang mit denindividuellen Lebenswelten ist eine wesentliche Gefahr für die Entstehung von Herz-Kreislauf-Risikofaktoren und -Erkrankungen.Die Verbindung vonPsyche und dem Herz-Kreislauf-SystemEmpfehlung: Die Auswirkungen von chronischem Stress, insbesondere am Arbeitsplatz, müssenstärker hervorgehoben und durch entsprechende, gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen desBetrieblichen Gesundheitsmanagement reduziert bzw. verhindert werden. Die Unternehmen sindsomit impulsgebender Teil von regionalen Netzwerken der Gesundheitsförderung und -kompetenzbildungund sorgen neben der medizinischen Gesundheitsversorgung für eine kontinuierlicheEntwicklung gesundheitsförderlicher Lebensweisen und Lebenswelten.Chronischer psychosozialer Stress am Arbeitsplatz und im sozialen Leben erhöht das Risiko fürdie Entwicklung einer Koronaren Herzkrankheit (Dragano et al, 2017). Schichtarbeit oder exzessiveMehrarbeit sind mit einem erhöhten Risiko für koronare Herzerkrankungen assoziiert (Kecklund et al,2016). Ebenso kann chronischer Stress am Arbeitsplatz zur Entwicklung einer arteriellen Hypertoniebeitragen (Cuffee et al, 2014). So erhöhen z.B. 10 Überstunden pro Woche das Risiko einer inzidentenHypertonie um das 3,2-fache pro Jahr (Cuffee et al, 2014). Hoher Stress steht oft im Zusammenhangmit der möglichen Entwicklung einer Depression und diese wird aktuell als unabhängiger Risikofaktorfür die arterielle Hypertonie diskutiert (Jackson et al, 2016). Der Einfluss eines Bluthochdrucksauf die Entwicklung kognitiver Funktionseinschränkungen bzw. einer Demenz wurde ebenfallsdokumentiert (Mancia et al, 2013). Zunehmend spielt auch eine neue Form des Stresses im Berufslebeneine Rolle: Der Technostress. Der amerikanische Psychologe Craig Brod war einer der erstenWissenschaftler, der darauf verwies, dass die Computertechnologie eine Ursache für Stress beiihren Benutzern sein kann. Er führte den Begriff „Technostress“ ein, um psychologische Reaktionenauf negative Erfahrungen mit Computern zu beschreiben. Basierend auf klinischen Beobachtungendefinierte er Technostress als moderne Anpassungskrankheit, die durch die Unfähigkeit verursachtwird, mit den neuen Computertechnologien auf gesunde Weise umzugehen (Derks et al, 2014). DieDigitalisierung der Arbeit scheint sowohl Chancen als auch Risiken für die psychische und kardiovaskuläreGesundheit der Beschäftigten zu haben. Nach den Erkenntnissen der Psychoneuroimmunologieführt chronischer psychosozialer Stress zu kleinen Entzündungen im Körper, die insbesonderezu Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen. Es gibt inzwischen erprobte und evaluierte Konzepteder individuellen und sozialen Gesundheitskompetenzbildung, die zu einer wirksamen Präventionbeitragen und die Menschen befähigen, ihre Krankheitsrisiken durch Lebensstil und soziale Belastungdurch eigenes Handeln zu vermeiden oder zu bewältigen.Amygdala – Funktion: Emotionale Bewertungund Reaktion auf Wahrnehmungen.Dazu kontrolliert der Kernkomplex Reflexe,die Atmung und das Herzkreislaufsystem.„Fight - or - Flight“ ReflexAdrenalinausschüttung• Erhöhte Herzfrequenz• Gesteigerter Blutdruck• Aktivierung des ImmunsystemsGesteigerte HerzleistungAktivierung von Stresshormonen(Cortisol)• Blutdruckregulation• Zuckerbereitstellung• Hemmung des ImmunsystemsLängere WirkungVerhaltensänderung• von „Inappetenz“• bis Heißhunger19
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